Startseite Insights Fachartikel Kundenorientierte Organisations- und Prozessgestaltung

Expertenbeitrag von Iris Pfafferott und Hagen Glatzel, Juli 2016

Kundenorientierung gibt es nicht als Quick Win.

Die Kundenorganisationen, d.h. die Marketing-, Vertriebs- und Servicebereiche vieler Unternehmen, sehen sich zunehmend mit neuen Wettbewerbern konfrontiert, deren Geschäftsmodelle durch die rapide Digitalisierung entstanden sind.

Die „Alteingesessenen“ wenden ein immenses Budget auf, um im Wettbewerb mit den „Digital Natives“ wieder gleichzuziehen. Investitionen in technologische Neuerungen sollen den Abstand verringern. Doch ist wirklich technologischer Rückstand verantwortlich dafür, dass die Unternehmen ins Hintertreffen geraten sind? Und wie soll man mit denen, die in der digitalen Welt groß geworden sind, mithalten?

Ein IT-System einzuführen, ist nur dann sinnvoll, wenn es Abläufe im Unternehmen unterstützt. Tut es das nicht, ist es nutzlos und kostet nur Geld. Schlimmer noch: Tools, die keine organisatorische Verankerung haben und keinen Mehrwert im Arbeitsalltag liefern, sorgen für Frustration, und die Mitarbeiter werden diese Systeme nicht engagiert nutzen oder vielleicht sogar boykottieren. Darüber könnten mittlerweile viele Unternehmen dicke Bücher schreiben. Daher sollte man sich vor einer IT-Investition fragen: Was sind die wesentlichen Stellschrauben für eine kundenorientierte Organisation und wo setzt man mit der Optimierung am besten an?

Synchronisation von Angebot und Bedarf

Was genau ist Kundenorientierung eigentlich? Unserer Auffassung nach muss es dem Unternehmen gelingen, den Bedarf des Kunden genau zu ermitteln und – hier liegt der Knackpunkt – in der Folge auch zu befriedigen. Kurz gesagt: Angebot und Bedarf müssen synchronisiert werden. Viele Unternehmen sind heute schon sehr gut darin, Kundendaten zu sammeln und aus diesen zu ermitteln oder gar vorherzusagen, was der Bedarf der Kunden ist. Wichtig hierbei ist, dass der Kundenbedarf sich nicht nur im „Was“, also dem konkreten Produkt, widerspiegelt, sondern es auch eine ganze Reihe kaufentscheidender Kriterien gibt, die die Frage nach dem „Wie“, also den Serviceleistungen rund um den Kauf, beantworten, die ebenfalls zu erfüllen sind.

Schnelligkeit und Flexibilität sind Schlüsselfaktoren

Die Mammutaufgabe liegt nun darin, das Unternehmen so zu gestalten, dass diese Bedarfe bedient werden können. Genauso wie die rasante Digitalisierung dem Unternehmen Informationen über potenzielle Kunden und deren Bedarfe liefert, so liefert das Internet auch dem Kunden wertvolle Informationen, um sich vor dem Kauf zu informieren und Anbieter einfacher vergleichen zu können. Hinzu kommen immer neue Produkte oder unzählige Varianten bestehender Produkte sowie durch Marketingbotschaften forcierte hohe Kunden-Erwartungen.

Um schnell reagieren zu können, bedarf es einer flexiblen, prozessgetriebenen Organisation, die in der Lage ist, geänderte Anforderungen des Marktes kurzfristig entlang der gesamten Wertschöpfungskette der angebotenen Produkte und Dienstleistungen zu reflektieren. Da hilft es beispielsweise, den Kunden schon sehr viel früher als üblich an den Prozessen zu beteiligen und ihn etwa in den Produktentwicklungsprozess einzubeziehen. Auch hier spielt dem Unternehmen die Digitalisierung in die Karten.

Doch kein System, keine Technologie, keine Digitalisierung kann ein Unternehmen näher zum Kunden rücken, wenn die wichtigsten Stellschrauben nicht auf den Kunden eingestellt werden: Organisation, Prozesse, Führung und Kultur!

Wenn sich heute Prozesse immer noch durch komplexe, starre und vergangenheitsorientierte Aufbaustrukturen ihren Weg bahnen müssen, wenn also die Aufbauorganisationen nicht ihrem Zweck dienen, nämlich kundenorientierte Prozesse zu ermöglichen und zu unterstützen, dann sollten sie auf den Prüfstand gestellt und kritisch hinterfragt werden. Das betrifft insbesondere auch die eingangs erwähnten Marketing-, Vertriebs- und Serviceorganisationen. Grundlegendes Ziel von Optimierungsansätzen sollte sein, vom Kunden gezogene Prozesse zu etablieren und die Aufbauorganisation so zu strukturieren, dass sie die immer schneller wechselnden Kundenanforderungen zeitnah bedienen kann.

Um diese Reagibilität zu gewährleisten, ist die Projektorganisation, in der sich Teams flexibel entsprechend der anstehenden Aufgaben und der dafür erforderlichen Kompetenzen und Verantwortungen zusammensetzen, das ideale Vorbild. Abteilungsleiter werden so zu Leitern von Projektteams, die regelmäßig andere Aufgaben übernehmen und mit wechselnden Mitarbeitern anderer Teams bzw. Abteilungen zusammenarbeiten. Klassische Hierarchien werden dadurch aufgebrochen, und die Führungsverantwortung geht über in Selbstverantwortung der Mitarbeiter.

Die Unternehmenskultur setzt den nötigen stabilisierenden Rahmen

Nun bringt eine so schnell und flexibel aufgestellte Organisation eine sehr hohe Dynamik mit sich, die den menschlichen Bedürfnissen nach Sicherheit und Zugehörigkeit nicht entspricht. Menschen brauchen einen sicheren Heimathafen als festen Anker und Orientierungspunkt. Wenn Unternehmen diesen Halt nicht bieten können, weil sie zu sehr auf hohe Dynamik setzen, dann werden solche Organisationen irgendwann instabil.

Deshalb sind gleichzeitig auch stabilisierende Elemente erforderlich, um ein Zerbrechen der Organisation zu verhindern und soziale Zugehörigkeit zu schaffen. Solche Elemente sind gemeinsame Werte und Rituale, die in einer Gemeinschaft gelebt werden. Das Führungsverhalten muss hierbei vorbildlich auf die Teams wirken, was die Funktion der Führungskräfte als Mentoren verstärkt. Führungskräfte sind natürlich keine „Buddies“. Aber sie sollten durch gerechtes und transparentes Handeln und Entscheiden Sicherheit geben und durch empathisches Miteinander die Zusammenarbeit stärken. Mitarbeiter, die infolgedessen selbstständiger werden und immer neue Impulse erhalten, werden so zu wichtigen Mitgestaltern des Wandels.

Nur durchdachte Gesamtkonzepte bringen nachhaltige Erfolge

Der Zusammenhang der Elemente Organisation, Prozesse, Führung und Kultur lässt sich wie folgt zusammenfassen: Prozesse dienen dazu, den Bedarf des Kunden zu verstehen und zu bedienen. Die Unternehmensführung ist dafür verantwortlich, diese Prozesse zu dynamisieren. Die Organisation hat dabei einzig und allein die Aufgabe, die Bearbeitung dieser Prozesse entsprechend der Anforderungen der Kunden zu ermöglichen. Die Unternehmenskultur ist das stabilisierende Element, das den Mitarbeitern trotz der durch die große Dynamik
verursachten Instabilität einen sicheren Halt bietet.

Oftmals wählen Unternehmen den schnellen Weg und suchen beispielsweise durch die Einführung neuer IT-Lösungen für spezielle Probleme „Quick Wins“. Das ist in schwierigen Marktsituationen verständlich und mag kurzfristige Erleichterungen bringen. Doch wer die große Agenda, nämlich die bedingungslose Ausrichtung am Kundenbedarf, aus den Augen verliert, der kuriert nur an Symptomen und schafft neue Schmerzen, statt nachhaltige Verbesserungen zu erzielen.

Weitere Informationen und Aspekte zum Thema Kundenorientierung finden Sie unter www.hrcie.com. Hier stellen wir Ihnen unter dem Namen CROP unseren ganzheitlichen Ansatz zur kundenorientierten Organisations- und Prozessgestaltung vor.

Ein Beitrag von Iris Pfafferott und Hagen Glatzel, Experten für Markt- und Kundenmanagement der HENDRICKS, ROST & CIE. GmbH; Veröffentlicht: Juli 2016