Wenn beim Kaufrausch im Internet die Vorsichtsmaßnahmen über Bord geworfen werden, kommt schnell das Ungemach. Unser Kolumnist erfuhr es am eigenen Leib: Gier und Gutgläubigkeit sind oft stärker als der menschliche Verstand.

Jetzt, jenseits der 50, hat es mich erwischt. Mich, den Freunde und Familie sogar zu den Digital Natives zählen. Schande auf mein Haupt, hier stelle ich mich an den Pranger der Torheit. Bewerft mich mit Unrat und lästert über meine Selbstgefälligkeit.
Was ist passiert? Ganz privat wollte ich etwas in der elektronischen «Bucht» kaufen: eine Kamera. Eine Spiegelreflex, schwergewichtiges Ungetüm, SUV der Fototechnik, anders als ihre automobilen Pendants längst zum Nischenprodukt geworden.

Natürlich verzichtete ich auf dubiose Quellen. Besser die Auktion eines Privatverkäufers, mit Angaben wie etwa «Hobbyaufgabe mangels Zeit», «Objekt liebevoll gepflegt» oder «wenig benutzt».
Die Jagd begann. Einen Suchagenten in der «Bucht» eingerichtet, wurde ich täglich mit frischer Beute geködert. Und da wartete dieses verlockende Angebot: eine Auktion von Privat. Gebote noch im niedrigen dreistelligen Bereich, Bilder und Story authentisch, der User identifizierbar und gut beleumundet. Wenige Transaktionen unterstreichen den Charakter des Gelegenheitsverkäufers. Mein Maximalangebot eingegeben, und schon werde ich an die Spitze der Bietenden katapultiert.

Der fatale Sportsgeist bei der Auktion.

Das Ende der Auktion fiel auf einen Wochentag zur Arbeitszeit. Eher ungewöhnlich für einen Privatverkäufer, außer er ist Rentner. Für den Käufer aber in der Regel gut, weil sich nicht so viele an der Auktion beteiligen – dachte ich. Ich wurde überboten. Neues Maximalgebot eingereicht, wieder überboten. Dann klappte es: Ich habe sie, yeah!

Kurz darauf kam eine persönliche Nachricht mit dem Glückwunsch und der Bankverbindung. Der Name war nicht identisch mit dem Account. Das kommt vor, sagte ich mir. Der Ton in der Mail war zwar etwas jovial. Aber ich war noch im Siegesrausch und wollte die Kamera am besten noch vor dem Wochenende. Also direkt überwiesen. Dabei verbieten sich Banküberweisungen. Nur wer PayPal oder die Kreditkarte einsetzt, hat den Käuferschutz. Wusste ich nicht, also nahm die Sache ihren Lauf.

Noch am Wochenende kam eine Warnung der Auktionsplattform, dass der Versender der Nachricht möglicherweise nicht der Besitzer des Accounts sei. Die Alarmsirenen läuteten. Der Verkäufer beruhigte, lieferte eine fadenscheinige Erklärung ab. Und was konnte ich auch machen? Es war Sonntag, die Banken hatten zu und die Hotline der «Bucht» war auch noch nicht aktiv.

Also Montagmorgen der Anruf bei der Bank: Kann man die Zahlung zurückrufen? Nein. Viel zu spät. Die Hotline der „Bucht“ beschwichtigt, man solle dem Verkäufer ausreichend Zeit lassen.
Langer Rede kurzer Sinn, die Ware kam nie an; vom Anbieter der Auktionsplattform bekam ich die höfliche Anfrage, meine Transaktion und den Support zu bewerten, woraufhin ich am liebsten in mein Notebook gebissen hätte. Natürlich habe ich eine Strafanzeige gestellt, die erste Strafanzeige meines Lebens. Online, denn das geht heute auch.

Die Aufklärung durch einen Kriminaloberkommissar.

In der netten E-Mail eines Kriminaloberkommissars aber wurden mir dann alle Illusionen genommen: Es sei absolut üblich, dass sich Betrüger der Konten der «Bucht» bemächtigten. Die Besitzer seien entweder ahnungslos, nicht mehr aktiv oder schlicht verstorben. Diese Daten könne man bequem im Netz kaufen.

Aber wie schaffen es die Betrüger, an ein Bankkonto zu kommen? Oftmals werden gutgläubige Menschen mit (nicht vorhandenen) Jobangeboten geködert, für die eine Giroverbindung verlangt wird. Offensichtlich gelingt das in vielen Fällen, wobei die Kontovollmacht ironischerweise beim Betrüger verbleibt. Auch werden vielfach Missbräuche bei den Post-Ident-Verfahren festgestellt. Der Kontoinhaber lässt sich nicht wirklich feststellen, insbesondere nicht bei den populären Onlinebanken.

Wie schnell man doch seine Vorsicht über Bord wirft, wenn man nur gierig oder gutgläubig genug ist. Ob auf dem Basar oder im Internet: Der Betrug ist ein steter Begleiter des Handels.

Autor: Frank Hendricks, geschäftsführender Gesellschafter von HENDRICKS, ROST & CIE.

Quelle: BUSINESS INTELLIGENCE MAGAZINE, www.bi-magazine.net
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