Startseite Insights Fachartikel Wandel in der Beratungsbranche und die Konsequenzen für den BI-Markt

Expertenbeitrag von Frank Hendricks im Business Intelligence Magazin, März 2014

Anpassungspotential.

Unternehmensberater brauchen ein neues Selbstverständnis. Vor allem in Business Intelligence-Projekten müssen sie – angesichts der hart kalkulierten Budgets – klar die Führung übernehmen.

Die Beratung als Dienstleistung steht immer wieder in der Kritik. Unterstrichen von zahllosen Beraterwitzen. Sicherlich hängt dieses teils negative Image auch mit der sehr schwierigen Bewertung der Qualität zusammen. Oft lässt sich kein Maßstab finden.
Meist indes geht es um divergierende Erwartungshaltungen. Die möglichen Varianten einer Kluft («Gap») zwischen den Kundenanforderungen und den Consultingleistungen zeigt zum Beispiel das Gap-Modell von Professor Hans-Jörg Bullinger, dem langjährigen Präsidenten der Fraunhofer-Gesellschaft und des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO), der mehrere Hürden diagnostiziert – wenn etwa der Transfer der wahrgenommenen Kundenwünsche auf das Projektteam nicht gelingt, die Consultants zuviel versprechen oder umgekehrt eine gute Beratungsleistung unter Wert verkauft wird.

Neben der grundsätzlich schwierigen Messung einer Beratungsqualität sorgen schlechte Erfahrungen und enttäuschte Erwartungshaltungen für eine vermehrte Zurückhaltung der Unternehmen gegenüber Consultants. Klassische Projekte mit hohem Zeit- und Sachaufwand werden zunehmend vermieden, weil Budgets oft überschritten wurden. Folglich werden Festpreise oder erfolgsabhängige Vergütungsmodelle angestrebt.

Dies führt unter anderem dazu, dass die Berater nicht die Gesamtverantwortung für ein Projekt erhalten. Das Unternehmen setzt dann auf eigenes Projektmanagement und Inhouse-Consulting, vor allem bei Analysen. Der «Externe» wird nur dort eingebunden, wo es wirklich notwendig scheint. Darüber hinaus flüchten sich viele Unternehmen in Beratungshäuser mit großem Namen, die vermeintliche Sicherheit bieten.

Pool von Kompetenzen bereitstellen.

Aber sind große Namen wie die sogenannten «Big Four» wirklich eine Garantie für gute Beraterleistung? Viele Unternehmen, die regelmäßig Consultants im Haus haben, bezweifeln dies. Ganz gleich, welche «Externen» helfen:
Das Gelingen der Vorhaben ist häufig vom jeweiligen Projektmanager und dessen Problem- und Lösungsverständnis abhängig.

Viele Konzerne führen daher schon Datenbanken mit Beraterprofilen, die bei Verhandlungen mit Anbietern zu konkreten Wünschen der Teambesetzung führen. Dabei ergeben sich auch für kleine Beratungshäuser und Freelancer Chancen, sich in namhafte Großunternehmen und deren Projekte einzubringen.

Diese Alternative gewinnt durch ein professionelles, internes Projektmanagement oder Inhouse-Consulting, welches gezielt Berater in einzelnen Arbeitspaketen und Phasen einsetzt, zunehmend Anhänger. Sie bietet sich vor allem bei Umsetzungsprojekten an, in denen es um sehr konkrete Maßnahmen wie etwa die Einführung eines IT-Systems geht.

Schwieriger zu kalkulieren sind die klassischen Beratungsprojekte, insbesondere die Strategieberatung, die zunächst mit einer Analysephase beginnt. Die Unternehmen erstellen heute eigene Analysen und wissen oft sehr genau, welche Lösung sie benötigen. Dabei helfen neben den gut ausgebildeten Spitzenkräften ohne Beratervergangenheit die mittlerweile über 50’000 früheren «Big Four»-Consultants, die in die Wirtschaft gewechselt sind.

Umsetzung bei Business Intelligence

Deshalb finden sich heute in der Regel in den Unternehmen vor allem externe Berater, die bei der konkreten Umsetzung dort helfen, wo Spezialwissen oder temporär zusätzliche Kapazität benötigt wird. Hierbei gibt es auch unterschiedliche Strategien für den Consultingeinsatz: auf der einen Seite die Spezialisten, die mit kurzen Engagements zu hohen Sätzen ihr Know-how einbringen, auf der anderen Seite die Unternehmen, die «Body-Leasing» betreiben und bei hoher Auslastung zu niedrigen Sätzen überwiegend junge Akademiker anbieten. Letztere gelten zwar als «Externe», sind aber deshalb noch keine Berater.

Aus der Nachfrage nach Spezialisten hat sich eine neue Form der Beratungsanbieter entwickelt, die in Netzwerken agieren und somit einen Pool unterschiedlicher Kompetenzen bereitstellen.

Typische Umsetzungsprojekte gibt es im Bereich Business Intelligence (BI), nach deren Beendigung in der Regel eine fertige Berichtsumgebung inklusive aller Datentransfer- und Datenspeicherprozesse installiert wird. Mittlerweile weisen diese Projekte einen hohen Reifegrad auf, sodass sie im «Gartner Cycle» bereits auf dem Plateau der Produktivität platziert werden und sich dem Zustand einer Commodity-Dienstleistung annähern.

Dennoch sind BI-Projekte nicht komplett standardisierbar. Das liegt an ihrer Interdisziplinarität, denn sie bewegen sich zwischen Fachabteilungen (häufig Controlling oder Rechnungswesen) und der IT. Damit müssen sie stärker an individuelle, organisatorisch gewachsene Unternehmensstrukturen angepasst werden.

Nicht selten werden in der Praxis die Analyse und die Konzeption von einer fachlich spezialisierten Beratungsfirma gemacht, die Softwareauswahl jedoch von einem anderen Institut begleitet. Und die abschließende Umsetzung wird von einem Implementierer übernommen, den ein Toolhersteller empfahl.

Zwar lässt sich die Implementierung durchaus standardisieren. Doch liegen die Herausforderungen für die erfolgreiche Umsetzung ganz woanders: Denn überwiegend beinhalten die BI-Projekte lediglich einen Technologiewechsel, ohne dass die Steuerungslogik und -instrumente inhaltlich überarbeitet werden. Damit indes werden allenfalls die Business Intelligence-Prozesse effizienter, die Datenqualität verbessert und die Informationsverbindlichkeit erhöht.

Zumeist jedoch fehlt eine Verbesserung der Effektivität im Sinne einer Optimierung der übergreifenden Unternehmenssteuerung. Erst bei BI-Projekten mit einem gewissen Innovationsgrad wie etwa Risikomanagement oder Predictive Analytics fließen konzeptionelle Arbeiten in die Projekte mit ein.

An dieser Stelle stellt sich die Frage nach der Ursache für diese Entwicklung: Ist das Berichtswesen gar so ausgereift, dass keine Optimierung notwendig ist? Nein, aus meiner Erfahrung liegt der Hauptgrund in der Spezialisierung: Das Controlling und das Rechnungswesen agieren hier häufig als Auftraggeber und stellen ihre eigenen Systeme selten in Frage. Die IT-Fachleute sind primär an der Technologie und weniger an den Inhalten interessiert. Und der Implementierer ist häufig Toolspezialist und modelliert die Datenstrukturen gemäß der im Unternehmen vorhandenen Berichtsstrukturen und Planungsmechanismen.

Und was ist mit den Nutzern dieser Lösungen, den Entscheidern in den Unternehmen? Ausgerechnet sie werden in den Projekten kaum berücksichtigt – oder bringen sich selbst nicht ein. Dabei kann die Chance, die Unternehmenssteuerung im Zuge eines BI-Projekts zu optimieren, nur genutzt werden, wenn das Management mit im Boot sitzt.

Aufgabe des Beraters ist es, die Leistung des Projektteams inklusive der Mitglieder auf Kundenseite zu optimieren, die notwendigen Reaktionen, Widerstände und organisatorischen Anpassungsschwierigkeiten zu antizipieren und die Kunden des Auftraggebers zufriedenzustellen. Das alles gelingt nicht, wenn er die Verantwortung dem Projektleiter des Kunden überlässt.

Deshalb erfordern Business Intelligence-Vorhaben einen ganzheitlichen Beratungsansatz. Er verfolgt das Ziel, eine langfristig wirksame Verbesserung der Steuerungsfähigkeit eines Unternehmens zu erreichen. Insofern stellen BI-Projekte eine inhaltlich fokussierte Besonderheit unter den sehr vielfältigen Beratungsmandaten dar. Sie benötigen aber eine Full-Service-Verantwortung, um allen Anforderungen des Managements gerecht zu werden.

Der Berater muss meiner Meinung nach dabei die Führung übernehmen und nicht bloß eine Projektressource darstellen. Diese Verantwortungsübergabe verträgt sich auch gut mit hart kalkulierten Projektbudgets und einer Reduzierung des Kundenrisikos durch Festpreise. Zudem führt sie zu einer deutlich höheren Kundenzufriedenheit.

Ein Beitrag von Frank Hendricks, Geschäftsführer der HENDRICKS, ROST & CIE. GmbH

Quelle: BUSINESS INTELLIGENCE MAGAZINE, www.bi-magazine.net
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