Die sich ausbreitende Angst vor dem Corona-Virus lähmt Wirtschaft und Gesellschaft. Die Ratio droht zu kurz zu kommen. Intelligente Werkzeuge wie Predictive Analytics könnten helfen, die richtigen Handlungsalternativen zu entwickeln.

(HINWEIS: Die Kolumne wurde Anfang März 2020 verfasst)

Neulich erzählte mir ein zynisch geneigter Manager, er hätte neuerdings stets ein Päckchen Reis auf seinem Schreibtisch stehen. Warum? Er kippe es einfach um, sobald ihn wieder ein Mitarbeiter mit zweitrangigen Problemen belästige.
Mir fiel dabei sofort das Bild des Sacks Reis ein, der in China umfällt, was Belanglosigkeit ausdrücken soll. Als das Corona-Virus in der fernen chinesischen Millionenstadt Wuhan ausbrach, hatten wahrscheinlich viele dieses Bild im Kopf.
Heute erweist sich diese Vorstellung als trügerisch, denn die Corona-Infektionen verbreiten sich weltweit. Bereits mehr als 50 Länder sind betroffen. Es droht eine Pandemie. So wie bei der Spanischen Grippe vor 100 Jahren?

Der fatale Sportsgeist bei der Auktion.

Klare Botschaft der Zahlen.

Von Zuständen wie damals sind wir noch weit entfernt. Wir sollten auf das Corona-Virus – genauer Covid19 – nicht emotional reagieren, sondern nüchtern die Fakten betrachten:
In China, dem Ursprungsland, starben bis Anfang März von rund 80.000 Infizierten bislang knapp 3.000 Menschen an der Epidemie. Dort flacht die Ausbreitungswelle dank eiserner Hygiene- und Quarantänemaßnahmen langsam ab. Außerhalb Chinas nimmt die Zahl der Betroffenen zwar stark zu, hält sich aber mit rund 10.000 Infizierten und rund 100 Todesopfern in Grenzen.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) registrierte im gleichen Zeitraum allein in Deutschland 200 Influenza-Tote. Die Letalität bei Corona-Erkrankungen liegt mit rund zwei Prozent etwas höher als bei einer normalen Influenzawelle (1,5 Prozent). Selbst bei einer Million Infizierten ergäbe das 20‘000 Opfer weltweit – weniger als im Grippewinter 2017/2018, in dem das RKI in Deutschland rund 25‘000 Fälle registrierte: nicht Erkrankungen, sondern Tote.
Natürlich möchte ich das Leid und das Unglück der betroffenen Menschen nicht bagatellisieren. Und die internationalen Schutzmaßnahmen sind unbedingt notwendig. Aber ich frage mich, wie es zu den extremen panikartigen Reaktionen kommt. Besonnene Expertenaussagen bleiben weitgehend ungehört.

Durch die sprunghafte Zunahme der Corona-Infektionen sind die wirtschaftlichen Folgen bereits spürbar. Sie könnten am Ende weit größer sein als der Schaden von geschätzten 40 Milliarden Dollar, den die SARS-Epidemie 2002/2003 verursacht hat.
In China verstärkt Corona eine schon vorher sich abkühlende Wirtschaft: Allein im Januar etwa ging der Personenverkehr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 82 auf 14 Millionen zurück, die Containerausfuhren sanken um 30 Prozent.
In Europa führt dies nicht nur bei exportorientierten Unternehmen wie etwa der Automobilbranche zu zusätzlichen Auftragsrückgängen. Auch im Tourismus sowie im Luft- und Schiffsverkehr leidet die Wirtschaft unter fallenden Umsätzen; im Handel kommt es zu Engpässen durch panische Hamsterkäufe.
Und weltweit sind die Kurse an den Börsen abgestürzt, nicht nur bei Aktien von Unternehmen, die sehr stark vom China-Geschäft abhängig sind. Großveranstaltungen werden abgesagt, Kreuzfahrtschiffe unter Quarantäne gestellt, Flüge gestrichen, Städte abgeriegelt, Mitarbeiter nach Hause geschickt. Kurzum: Es herrscht ein globaler Aufruhr, der aber in keiner Relation zum tatsächlichen Ausmaß der Epidemie steht.

Der Nutzen von Predictive Analytics.

Entschlossene Maßnahmen sind nötig. Diese müssen anhand der Faktenlage entwickelt und dann durchgezogen werden – in der Gesundheitspolitik genauso wie in den Unternehmen. Gerade in Krisensituationen sollten Geschäftsentscheidungen nackte Zahlen zugrunde gelegt werden und keine Emotionen.

Die Corona-Krise könnte ein Anlass dafür sein, stärker auf neue Vorhersagetechniken wie Predictive Analytics oder rollierende Forecasts zu setzen, um das Maximum an objektiv begründeten Handlungsalternativen verfügbar zu machen.
Denn der umgekippte Sack Reis mit den Covid19-Viren wird nicht der einzige bleiben: andere mit Pandemie-Potential, wie etwa Ebola, Marburg-Virus oder Influenza, können jederzeit folgen.

Autor: Frank Hendricks, geschäftsführender Gesellschafter von HENDRICKS, ROST & CIE.

Quelle: BUSINESS INTELLIGENCE MAGAZINE, www.bi-magazine.net
© ProfilePublishing Germany GmbH März 2020. Alle Rechte vorbehalten.