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Expertenbeitrag von Jürgen Rost im Business Intelligence Magazine, Juli 2014

Feinbalance.

Investitionen in das Risikomanagement zahlen sich nur dann aus, wenn sie systematisch in die Geschäftsabläufe und die Unternehmenskultur eingebunden werden. Ein strukturierter Ansatz hilft.

Gestapelte Steine, die eine ausgewogene Waage symbolisieren

Die Ziele sind in der Regel klar: Das Risikomanagement soll zu besseren Entscheidungen führen und wird als wichtiger Teil der Wertsteuerung des Unternehmens deklariert. Und die Ergebnisse bilden in der Regel die Basis für transparente, nachvollziehbare und fundierte Entscheidungsvorlagen.

Wichtig ist vielen Managern zudem, dass das Ausmaß möglicher Entscheidungen auf Faktoren wie etwa die Insolvenzwahrscheinlichkeit oder das Rating quantifiziert werden kann. Damit soll das Unternehmen grundsätzlich widerstandsfähiger gemacht werden. Hinzu kommt die Pflicht zur Dokumentation und Auskunft gegenüber Wirtschaftsprüfern, Eigentümern oder Banken. Und nicht zuletzt geht es um das frühzeitige Erkennen der strategischen Risiken und die Erstellung von konkreten Maßnahmenpaketen, die im Falle eines Risikoeintritts umgesetzt werden können.

Entscheidungsorientierte Ausrichtung.

Doch wie lassen sich in der Praxis all diese anspruchsvollen Ziele erreichen?
Antwort: Die Unternehmen müssen sämtliche Systeme und Funktionen, die das Management unterstützen, entscheidungsorientiert ausrichten.
Und was genau heißt «entscheidungsorientierte Ausrichtung»?
Antwort: Die Systeme sind dann entscheidungsorientiert ausgerichtet, wenn einerseits die Auswirkungen einer möglichen Entscheidung auf den zukünftigen Gesamtrisikoumfang bestimmt werden können. Andererseits müssen sie nachweislich bessere Entscheidungen ermöglichen als ohne eine Risikoanalyse.

Auch sollte das Unternehmen eine nachvollziehbare und am Empfänger orientierte Berichterstattung aufbauen, die Handlungsoptionen aufzeigt und quantifiziert. Eine auf die Bedürfnisse des Managements angepasste Berichterstattung bedeutet dabei keineswegs den Verzicht auf mathematisch-statistische Modelle, sondern wird durch transparent dargestellte Annahmen und nachvollziehbar abgeleitete Ergebnisse erreicht.

Oft unterschätzen Entscheidungsträger indes die Notwendigkeit, den Risikomanagementprozess sukzessive in die Unternehmensprozesse zu integrieren – insbesondere in den Budgetierungs- und Forecast-Ablauf.

Anbindung an Forecast-Systeme.

Deshalb empfehlen Experten die Schaffung einer Risikokultur im Unternehmen, meist schlicht «Risk-Intelligence» genannt. Diese definiert sich als Fähigkeit einer Organisation oder eines Systems, sowohl die Wahrscheinlichkeiten präzise einzuschätzen und aus Erfahrungswerten etwas über Risiken zu lernen als auch eine gemeinsame «Risikosprache» zu pflegen und vorausschauende Konzepte und Werkzeuge zu verwenden.

Insofern setzt eine Risikokultur oftmals einen Kulturwandel im Unternehmen voraus, der in mehreren abgestimmten Schritten besser erreicht werden kann als mithilfe einer Standardlösung. Das Fundament für eine derartig tiefgreifende Transformation sollte mehrschichtig angelegt sein.
Die wichtigsten Elemente sind:

• die Definition geeigneter Ordnungs- und Qualifizierungskriterien mittels eines Risikokatalogs und der absoluten sowie relativen Schadensparameter,
• die Identifizierung und Quantifizierung sämtlicher Risiken,
• die Anbindung an Plan- und Forecast-Systeme zur Schaffung einer einheitlichen Datenbasis,
• die Transparenz über das Gesamtrisiko durch nachvollziehbare Annahme und Interpretationen zu erhalten sowie die Angabe darüber, inwieweit Risiken bei den Planwerten eingepreist sind.

Nettorisiko simulieren.

Die Ergebnisse eines derart genau strukturierten Prozesses bieten Unternehmen einen deutlichen Mehrwert. Denn die Risikoberichterstattung baut auf der vorhandenen Lösung auf und ist so fachlich stimmig in den vollen Planungsprozess integriert. Ebenso wird sowohl die Effizienz der Berichtsprozesse als auch die Qualität des Risikomanagements durch eine leistungsfähige Business Intelligence-Umgebung gesteigert. Denn so können unter anderem mehr Risikoinformationen erfasst und auch komplexe Auswertungen, die zuvor nicht zur Verfügung standen, unterstützt werden.

Zudem lassen sich beispielsweise die Auswirkungen von Gegensteuerungsmaßnahmen quantifizieren und kontrollieren oder die Auswirkung des Nettorisikos auf das EBT simulieren. Außerdem können die aktuelle Risikosituation regelmäßig aktualisiert, der Prozess komplett abgebildet und Änderungen an Risikokomponenten leicht angepasst werden, und durch die flexible Vergabe von Benutzerrechten sind alle am Risikomanagementprozess Beteiligten in der Lage, jeweils auf die spezifischen, für sie relevanten Eingabemasken und Reports zuzugreifen (zum Beispiel über ein Excel-Front-End mit Datenbankanbindung).

Risikokapitalallokation festlegen.

Mit einem entsprechend leistungsstarken Business Intelligence-System bieten sich noch viele weitere Möglichkeiten zum Ausbau des Risikomanagements. Sinnvoll ist es zum Beispiel, die Effekte von Simulationsergebnissen durch die Einrichtung der Limits und Risikokapitalallokationen für die einzelnen Geschäftsbereiche festzulegen – im Sinne einer stochastischen Planung auf die Budget- und Forecast-Werte oder die Risikotragfähigkeit.

Ideal ist es, wenn auch für die Definition von Risikokennzahlen bereits Grundlagen geschaffen sind, auf die das Projektteam jederzeit aufbauen kann. Dazu zählen vor allem RORAC («Return on Risk Adjusted Capital», risikogemäße Eigenkapitalrendite) oder auch RORACE («Return on Risk Adjusted Capital Employed»).

Gerade bei hohen Unsicherheitsgraden indes gestaltet sich die Quantifizierung mit herkömmlichen Methoden als sehr schwierig. Aber auch hier können statistische Methoden dazu verwendet werden, subjektive Urteile und Meinungen von Experten, die beispielsweise durch die Einrichtung von Informationsmärkten gewonnen wurden, zu aggregieren und so Simulationen zu unterstützen. Hilfreich ist es zudem, wenn quantitative Multiple-Szenario-Analysen wie etwa Monte-Carlo-Simulationen und eine Rentabilitätskontrolle eingesetzt werden.

Nicht außer Acht lassen sollten Unternehmen die organisatorische Weiterentwicklung. Dazu zählt insbesondere die Zusatzqualifizierung des Personals in der Risikokontrolle durch Workshops in Bereichen wie dem Überprüfen der eingesetzten betriebswirtschaftlichen und statistischen Methoden und Instrumente oder der Qualitätssicherung der Daten.

Mit schlankem System beginnen.

Letztlich entscheidend für den Erfolg eines Risikomanagementsystems aber sind eine strukturierte Sicht auf die Themen und die Entwicklung von Benachrichtigungs- und Handlungsprozessen für die alle Risikoszenarien. Moderne Systeme können heute dabei gut unterstützen – sind aber keine Selbstläufer und erfordern eine intensive Auseinandersetzung mit den relevanten Geschäftsprozessen im gesamten Unternehmen.

Auf jeden Fall sollten Manager beim Risikomanagement nicht zu viel auf einmal anstoßen. Es ist oft ratsam, mit einem schlanken System zu beginnen und es im Laufe der Zeit zu erweitern.

Ein Beitrag von Jürgen Rost, Geschäftsführer der HENDRICKS, ROST & CIE. GmbH

Quelle: BUSINESS INTELLIGENCE MAGAZINE, www.bi-magazine.net
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